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“der falsche strich, der letztendlich richtig wird… wirkt”

einige gedanken über malerei, improvisation und bessenheit im werkzyklus “when you are smiling the world smiles with you” von eva-d und über farben reden wir (noch) nicht

ein gastbeitrag von timothy d. hemingway-lancaster

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ich spüre die glut der wüste, fahre durch die weiten von arizona. die hitze klirrt. ein dickicht von sensationen. der ultimative kick.

das sind assoziationen, die mir sofort aufkommen, wenn ich in das reich der gesichter von “when you are smiling the world smiles with you” steige.

fliegende fische, goldzähne und gypsi-melancholie, emir kustorica. mein kopf birst vor einfallsfetzen. ich bin high. meine netzhaut singt. mein körper bebt.

eva-d beschwört in ihrer 2014 entstandenen serie aus 94 köpfen die sensation als ultimatives kunstprinzip.

hier geht es einzig ums fühlen, extasy für den austellungsbesucher.

sex, drugs und rock’n roll, dieses lebensgefühl aus den 70-gern wird in eva-ds bildern in eine rein mentale erfahrung sublimiert.

der wirkstoff: eine mischung aus rausch, lust, spiel und ungebändigter improvisation. 

und besessenheit. 

der holprige klavierzauber eines thelonious monk kommt mir in den sinn. 

es ist eine welt des surrealen, unperfekten, der totalen lebenslust und hingabe.

ahnungen und zeiten fliegen durch meinen schädel.

feuer, glut, leidenschaft. spass. was ich zu sehen bekomme, ist beinahe egal. eva-ds bilder sind das ticket zu einer dschungeltour. der betrachter und sein ganz eigenes innere rücken in den mittelpunkt. mimikry. 

meine augen sind die pforten. einmal geöffnet reissen diese bilderwelten mich unmittelbar in einen rausch der lust. mein körper passt sich automatisch an. diese gesichter, facetten meiner selbst. zuviel ist zuviel. ich spüre den druck, die überfülle.

das einzige was mir bleibt.

i smile.

beseelt. happy. ganz im „hier und jetzt”.

“there is no map to paradise”.

und wenn dem doch nicht so wäre?

kann kunst heilen?

eine innenansicht in den werkzyklus “when you are smiling the world smiles with you” von eva-d

ein gastbeitrag von dr. agathe sri magendorf

nie zuvor in der geschichte hat kunst einen solchen hype in der gesellschafft ausgelöst wie heute. kunst als grossevent in den museen, millionenklicks auf medienplattformen, anlageobjekt für global player und investoren, spekulationen und sensationen im preiskarussell.

kunst wird heute zunehmend an seinem potential als marketingobjekt oder seiner finanziellen erträglichkeit gemessen.

in diesem kontext schafft die malerin eva-d den werkzyklus “when you are smiling the world smiles with you” , eine serie von grossformatigen zeichnungen, die sich allein mit dem menschlichen gesicht beschäftigen. 

diese serie ist eine intime innenschau. die künstlerin sucht in einem fragilen geflecht von strichen und farben nach einem eigenen ausdruck erlebter verletzlichkeit und damit verbundener weltfremdheit.

kann kunst heilen? und wenn ja, wovon?

heilen möglicherweise von einer welt, die immer mehr von effizienz und nutzbarkeit geprägt ist.

die künstlerische auseinandersetzung könnte hierbei einen anarchistischen faktor bilden. dazu müsste sie die strukturen ihrer eigenen vereinnahmung jener welt aufbrechen und gleichzeitig das in ihr entstandene chaos als sinnhaftigkeit postulieren. einer katharsis gleich, um sich der eigenen kraft, dieser nutzentleerten erfüllung zu nähern.

“when you are smiling the world smiles with you”  lädt uns in eine solche welt ein. beinahe autistisch steuert eva-d in ihrer serie dem persönlichen untergang entgegen. kein aussen scheint eine relevanz zu haben. der aufmerksame betrachter folgt ihr hingegen auf einem ganz singulären abenteuer hin zum pikturalen abtasten dessen, was menschsein bedeutet.

emotionen, unsicherheiten, die ständige ambivalenz zwischen festlegung und aufbruch.

strategie, erträglichkeit, all unsere normierten marktinstrumente gehen im höhnischen grinsen der zahlreichen gesichter von “when you are smiling the world smiles with you” unter. schlimmer noch, sie werden malmend verschlungen, wirkungslos noch vor ihrer geburt.

eva-ds gesichter kommen aus dem reich des ungeteilten ich, ein ich, das sich jedoch in jedem monent wieder in unzählige annäherungen spaltet.

diesen widerspruch leben und erleben, das könnte heilung sein.

bewegung, chaos und authenzität ist ihr weg.

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die aesthetik des schreckens

eine innenansicht in den werkzyklus “when you are smiling” von eva-d

ein gastbeitrag von prof. dr. arthur scheideweg 

geister49

gebrochene formen, aufgerissene münder, augen, die kreischen.

in dem 2014 entstandenen werkzyklus “when you are smiling” schlägt die malerin eva-d über in ein grollen mentaler bildsequenzen, das in seiner gewaltigkeit hier den höhepunkt ihres bisherigen schaffens gefunden hat.
 
exessive strichführungen leiten den betrachter in einen roller coaster innerer triebhaftigkeit. ungehemmt schlägt die malerin auf das blatt, ob mit stiften oder direkt den händen, der akt des kreierens wird auf eine impulsiv-explodierende weise in das blatt gekerbt und bleibt übergangslos in seiner nachproduktiven ausgestelltheit präsent und spürbar.
 
wo sind die grenzen zwischen materie und psyche?
 
an dieser fragestellung kommt der kunsthistoriker bei “when you are smiling” nicht vorbei und damit muss er auch sein ganzes repertoire an kunstgeschichtlichem handwerk für die werkerläuterung in frage stellen.
 
wie kann angesichts des schreckens, dieser profunden erschütterung unserer eigenen psyche, noch mit mitteln wie zuordbarkeit, obkjektiver distanz und geschichtlichkeit hantiert werden.
 
wo beginnt dieses werk und, vor allem, wird es jemals enden, jetzt, wo es sich wie eine narbe in der eigenen mentalen struktur des betrachters eingebrannt hat.
 
“when you are smiling” ist eine serie aus 97 porträts. wenn vulkane schreien könnten, so möchte ich die serie benennen. reste von hieben, kleksen, farbverschmierungen. emotionale spuren führen uns den eigenen schrecken vor augen.
 
“spiegelein, spiegelein an der wand”
 
in diesen arbeiten von eva-d bereiten uns die fratzenhaften erscheinungen, die sich aus einem gewust von strichen und farben bilden, den direkten weg zu unserem eigenen lebenstrieb.
 
kontemplative selbstvergessenheit oder aufkärende geisteserhöhung, das sind begriffe, mit denen wir uns diesem werkzyklus nicht nähern können.
mit “when you are smiling” werden wir aus der bahn geworfen, einem gebündelten wachmachen gleich, es ist die begegnung mit unserem selbst, das wir in der seele tragen.
 
was hat sich die künstlerin wohl bei dem titel gedacht?
 
noch lange hallt ihr gelächter nach.

leben

leben in intensivster form.

zeit spielt keine rolle. ein moment, eine unmessbare ansammlung verschiedenster momente, farben, aktionen, klänge, bewegung oder schlichtweg: DENKEN.

all das ist kunst. oder besser gesagt, KANN kunst sein. 

entscheidend ist der zustand vollkommener vergessenheit unserer geknebelten existenz. so ist es jedenfalls für mich.

der knebel ist unser willen.

ich denke, willentlich ist keine kreation möglich.

die kreation liegt jenseits unseres wollens.

kunst ist eine gnade.

kunst ist die liebe zum SEIN.

und gerade dort, in diesem moment liegt diese unglaubliche anziehung und führung.

ganz im gegensatz zur verführung, die sehr gekonnt und anmutend zum scheitern verurteilt ist.

ich selbst liebe die verführung, jedoch nur als eintritt, als schlüssel, um mich von dem irdischen hier zu lösen und um dann in den unendlichen raum der möglichkeiten und gefühle einzusteigen.

und das ist kunst für mich.

es ist das aufzeigen dessen, was kein geist je zuvor gesehen oder gespürt hat.

ja, ich fühle, schon hier habe ich lust mir zu widersprechen.

berührt werde ich gerade dort, wo erinnerungen bei mir angesprochen werden, und das hoffentlich aus einem anderen blickwinkel, so dass ich durch diese verschiebung die gelegenheit habe, mir meiner eigenen vergangenheit bewusst zu werden. 

wo ist hier der aspekt des vergessens?

ein gordischer knoten.

darum liebe ich die kunst.

sie lässt sich nicht in worten fesseln, in erklärungen oder deklarationen.

kunst ist für mich absolute freiheit. anarchie.

sie ist der hilfreiche virus, der an der gesellschaft nagt, und sie zur entwicklung bringt… „zwingt“… 

anfang der 2000-er. nachricht an agent008: komisario x-bin, dubai.

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komisario schreibt aus einem hotel, dessen personal ausschliesslich indisch ist, die kommunikation mit ihnen gestaltet sich schwierig, englischkenntnisse sind kaum vorhanden.

komisario telefoniert, sein computer läuft. von ihm unbemerkt schaltet sich der bildschirmschoner ein,  bilder meiner notizen zur mission: what-is-art, skizzenbucheinträge bespielen den schirm.

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hotelangestellte, immer mehr, umzingeln komisario. buy, buy, we want buy program.

dies ist kein programm, so komisario, das sind photos, aber er würde sie ihnen gern auf eine cd brennen und schenken, wenn sie möchten.

die angestellten starren weiter wie hypnotisiert auf den bildschirm, amüsiert, erstaunt, aufgeregt.

so berichtet mir komisario in seinem mail.

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die nachricht lässt mein herz hüpfen. ich spüre: das ist eins meiner berührendsten erfolge, als da wäre:

eine berlinerin macht notizen, die ein norwegisch schwedischer franzose in einem indischen hotel in dubai unbeabsichtigt zur schau stellt. so viele unterschiede zwischen kulturen, sprachen, sozialem background, und trotzdem, die bilder wirken und bewegen.

ich freue mich sehr. wieder zeigt sich mir die kraft von kunst: identität spielt in der kunst keine rolle, es gibt auch keine grenzen, allein was zählt, das ist das herz.

 

 

 

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also, ich liebe die malerei.

sie ist ein medium, dass einem glasklar das eigene wesen spiegelt. die unzulänglichkeit, die genialität, die malerei kennt kein tabu, keine höflichkeit.

zwing mch nicht, schreit sie mir entgegen.

du suchst?

nun preist sie sich an wie auf dem marktplatz, ganz laut, schrill, dann wieder wispernd leise: hier, herein marschiert in die höhle deiner begierde: hier ist sie, die freiheit, die du suchst.

der eintritt? nur das eine, lass deinen willen vor der tür.

ein zu hoher preis, entgegnete ich.

ich kämpfe. ich will rein.

ich flirte, ich zeige mich anständig und gewissenhaft, ich bin doch da, ich TUE etwas, bitte, lass mich nun herein.

HEUTE nicht, sagt sie. hier gibt es einen dresscode.

sei nackt, verspielt, verletzlich, zart und wild, schrei, singe, tanze, aber bitte, das ruestzeug WILLE…. das ist hier fehl am platz.

so sei es.

zu aufgeregt, zu sehr will ich. ja, ich lechze nach dem gelungenen bild, der freiheit quintessenz, und gerade darum, scheu wie eine geliebte, entzieht sie sich, sofort.

sie will nicht erobert werden, geliebt will sie sein. nur das.

und ausschliesslich das.

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malen, dieser unwiderstehliche drang, über mich selbst hinaus zu entgleiten.

meinen kopf zur ruhe bringen, nein, ihn überlisten, stille herstellen durch ablenkung. trance. musik. bewegung. gleichzeitig der totale fokus auf das blatt.

beim malen bin ich der strich. meine totale liebe: die materialität, die farbe. im akt bin ich sie. wenn sie feucht und sinnlich über das papier gleitet, ist das mit einem tiefen vergnügen verbunden.

malen ist für mich ein erotischer akt. ich liebe in einer ganz sinnlichen weise meine stifte, meine farben, bin obsessiv vernarrt in die verschiedenen oberfächen und beschaffenheiten vom papier. selbst meine leinwänder kaschiere ich mit papier. wahrscheinlich hat jeder maler seine fetische. meiner ist papier.

und… das sagenumwobene WEISS, die leere, die ich nun belebe.

ein liebesakt hat kein ziel. genau so ist es bei mir beim malen.

ich gebe mich hin. völlig. forme, erfinde, spüre die striche und formen. reagiere, agiere, liebe. alles. ohne begrenzungen.

theatralik.

ja, geschichten erzähle ich auch. sie entwickeln sich auf dem weg.

ich nehme keine “drogen”, doch so stelle ich mir einen drogenrausch vor. bilder und geschichten, surreal und alltagsuntauglich, geistern durch die phantasie und werden wahr. diese entgleisungen in eine ganz neue und unbekannte welt, DAS bedeutet malen für mich.

und dann: ich frage mich oft, warum menschen seit jahrtausenden malen. einfach nur malen.

warum ist da so wichtig? was passiert da wirklich?

ist es ein pakt mit den göttern?

ein hauch des jenseits, der durch die materie dringt?

die unendlichkeit, die sichtbar gemacht wird?

zeit, die wirklich einmal stehenbleibt und somit dermassen beglückt?

“ach augenblick, verweile doch, du bist so schön.”

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wagen zu träumen, das bedeutet malerei und kunst im weitesten sinne für mich.

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in politischen diskussionen gehen die welten der “träumer” und der “realisten” weit auseinander.

es heisst bei “realisten”: lerne aus der vergangenheit. was immer schon so war, das wird wieder so kommen, auch wenn gerade dies angesichts der grausamen momente der geschichte zu vermeiden versucht wird. ein paradox in sich. gefangen im hamsterrad des grauens wird krieg mit krieg beantwortet. die aufrüstungs- oder sei es verteidigungsmaschinerie macht milliarden.

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der künstlerische akt hingegen bezeugt, dass in jedem moment, und immer wieder neu, verändertes bewusstsein auf das blatt kommen kann.

beim malen habe ich kein bewusst analytisches lernen aus dem gestern, sofern ich mich auf den weg der erkenntnis begebe.

mit er-kennen meine ich, immer wieder andere möglichkeiten und potentiale aufzudecken und dabei das wagnis des völlig leeren raums ohne historie einzugehen.

die welt des künstlers liegt, so aus meiner sicht, in der sphäre der visionen, dem aufzeigen potentiell lebenswerter (gesellschafts-)modelle. jede freiheit in der kunst ist für mich gleichzusetzen mit einer potentiell lebbaren freiheit eines jeden.

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ich bin tief davon überzeugt, dass ein verändertes bewusstsein auch veränderte realitäten schaffen kann.

nein, krieg muss möglicherweise doch nicht mit krieg beantwortet werden, nur weil es schon seit jahrtausenden so gemacht wird.

in der kunst geht es weder um agitation noch um aktion. bilder sind sinnlich erfahrbare bewusstseinsmodelle, wie ich denke.

und hier könnte der ansatz der kunst in der politik hilfreich sein:

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sich erlauben, und sei es auch nur für momente, erfreuliche gedanken zu erschaffen, ohne zensur, also ohne das muss einer sofortlösung im sinne eines traditionellen aktionplans, zu denken. tagträumen von einer schönen welt.

jenseits jeden realismus, den gedanken wagen, dass eine welt im frieden möglich sein könnte.

das wäre eine r-evolution.

 

 

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komisario, verrückt, weil so eigen und unangepasst, und besessen, ja!, er hat die unglaubliche gabe, einen selbst gross fühlen zu lassen.

es ist seine grosszügigkeit, ganz weit weg von sich selbst, die stärken des anderen zu entdecken und emporzuheben. respekt, anerkennung, charme und humor, das sind geschenke, die komisario wie ein federkissen dem gegenüber zu füssen legt. 

komisario, wer bist du?

eins ist klar, du bist ein licht in dieser welt.